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zu den Heroischen Vorbildern

Theoretische Beiträge heroischer Vorbilder der Autonomen und ihre Reaktionen

  1. Was ist Patriarchat?
  2. Vom Mythos der Unabhängigkeit
  3. Die Linken Männer-Mythen knacken!
  4. Weiße Herrschaft - Rassismus und Imperialismus
  5. Ingrid Strobl: Die Angst vor den Frösten der Freiheit

Theoretische Beiträge heroischer Vorbilder der Autonomen und ihre Reaktionen

Unter dem Namen RZ (Revolutionäre Zellen) wird Ende der 80er Jahre ein Papier veröffentlicht, das den Patriarchatsbegriff anhand der sozialen Stellung schwarzer Frauen in Südafrika bildet. Es kursiert zunächst in kopierter Form, bis es von der Edition ID-Archiv 1990/91, zusammen mit Antworttexten, in "Metropolen(gedanken) und Revolution" abgedruckt wird. "Was ist Patriarchat?" wird von den Autonomen zunächst wahrgenommen, weil es von den RZ stammt, erweist sich aber als inkonsistent, teilweise biologistisch und von der autonomen abgekoppelt, so dass der Text bei der Neuauflage des Buches unter dem Titel "Drei zu Eins" nicht mehr berücksichtigt wird.

Dagegen wird "Die Angst vor den Frösten der Freiheit" von Ingrid Strobl auch in der Neuauflage publiziert. Der Text argumentiert zwar historisch, geht aber mit dem autonomen Patriarchatsbegriff konform, der Sexualität in den Mittelpunkt des Geschlechterverhältnisses stellt.

Die Antworttexte bestätigen die Einschätzung, dass RZ-Texte durch die Anschlagspolitik der Gruppe an Aufmerksamkeit gewinnen. Eine ansonsten kritische Stellungnahme schließt mit den Worten "wir würden Euch gerne, wie schon so oft, nacheifern, aber das WIE ist uns unklar" (Rank, in: Metropolen(gedanken) und Revolution, S. 100). Eine andere Antwort gibt als Grund für die Beachtung an, dass der RZ-Text zum Patriarchat Stellung nimmt "aus Praxis und Theorie eines gemischtgeschlechtlichen Zusammenhangs" (Vom Mythos der Unabhängigkeit, in: Metropolen(gedanken) und Revolution, S. 73). Was ebenfalls die Aufmerksamkeit steigerte, ist die Tatsache, dass er linke Revolutionsvorstellungen angreift, während gleichzeitig die RZ als Zusammenhang eingeschätzt wurde, der sich "den Versuch der Umsetzung eines "herkömmlichen" Revolutionsansatzes auf die Fahnen oder besser vielleicht den Stern geschrieben" hatte (ebenda).

Im Rahmen der öffentlichen Aufarbeitung ihrer Geschichte im Jahre 1992 wird dann allerdings deutlich, dass "Was ist Patriarchat?" weder einen konsensfähigen Standpunkt innerhalb der RZ darstellte, noch in Bezug zu ihrer Praxis formuliert wurde. Die Gruppe, die mit dem Text "Das Ende unserer Politik" an die Öffentlichkeit tritt schreibt dazu, das Papier "reichte nicht als Ausgangspunkt für eine weiterführende Klärung in unseren Reihen" (RZ: Das Ende unserer Politik, in: Die Früchte des Zorns, S. 39). Entgegen der Wahrnehmung durch die RezipientInnen steht der Text also nicht in einem direkten Zusammenhang zu den Anschlägen der RZ, sondern ist lediglich ein wenig geeignetes Diskussionspapier, das veröffentlicht wird.

1. Was ist Patriarchat?

Der RZ-Text beschreibt die Situation farbiger Frauen in Südafrika in den 80er Jahren als gekennzeichnet durch die Last der Reproduktionsarbeit und dem Zwang zu schwerer körperlicher Loharbeit bei geringer Bezahlung einhergehend mit politischer Rechtlosigkeit und fehlender räumlicher Freizügigkeit. Er muss im Zusammenhang mit einer zweiten Wende in der Politik der RZ gesehen werden, weg von den Sozialen Bewegungen, zurück zu einer internationalistischen Ausrichtung. Dieser Politikwechsel kommt beispielsweise dadurch zum Ausdruck, dass vermehrt Anschläge auf Firmen verübt werden, die in Entwicklungsländern produzieren, aber auch im Diebstahl von Akten über AusländerInnen aus einer staatlichen Einrichtung. Außerdem kann die Beschäftigung mit dem Patriarchat mit der Bildung einer eigenständigen Frauengruppe "Rote Zora" in Verbindung gebracht werden.

Der Text selbst versucht politische, ökonomische und ideologische Aspekte zu verknüpfen und Unterdrückung zu verdeutlichen am Beispiel derer, die besonders davon betroffen sind. Die Südafrikanischen "Reservate" seinen "vor allem Frauenlager", in denen vier Millionen Frauen eingeschlossen seien mit "Kindern, mit deportierten Alten und abgeschobenen Arbeitsinvaliden, deren umfassende Versorgung" ihnen aufgebürdet sei (RZ: Was ist Patriarchat?, in: Metropolengedanken und Revolution, Edition ID-Archiv 1990, S. 63). Politisches Kalkül des Südafrikanischen Regimes sei dabei, durch "radikale Separation der Geschlechter" Geburtenrückgang zu verursachen und "das Aufwachsen neuer schwarzer Generationen" zu blockieren (ebenda, S. 67).

An den Reservatsrändern hätten sich Betriebe angesiedelt, die "Textil, Nahrungsmittel, Schuhe, Getränke und Tabak" produzieren und den dort arbeitenden Frauen Entgelte aushändigen, die "die juristisch gezogene Armutsgrenze drastisch unterschreiten" (ebenda, S. 65). Andere Möglichkeiten entlohnter Tätigkeiten sind die Feldarbeit, die "bar jeder nennenswerten technischen Hilfsmittel" vor sich gehe und die "miserabelste und verhaßteste aller Arbeiten" (ebenda) bleibe oder die Tätigkeit als Bedienstete in Häusern von Weißen. Das Magd-Verhältnis mache die Frauen zu einem Stück "toten Inventar" im "intimsten und "geheiligsten Bereich" der weißen Herrschaft" (ebenda, S. 66). Es nehme den Frauen ihre Identität und sie verlören "jede körperliche Substanz und menschliche Präsenz" (ebenda, S. 65).

Frauen, die versuchen, sich den geschilderten Strukturen zu entziehen, arbeiteten als Kleinhändlerinnen, aber auch als "Prostituierte, Ladendiebinnen und Einbrecherinnen" (ebenda, S. 64). Als aufkeimende Widerstandsform wird offensichtlich die "wachsende Anzahl junger Frauen, die sich gezielt und zunehmend professioneller von Ladendiebstählen und Einbrüchen ernähren" gesehen (ebenda).

Am Schluss des Abschnitts wird versucht, die skizzierte Situation schwarzer Frauen systematisch mit Kapitalismus und Rassismus in Verbindung zu bringen. Reproduktionsarbeit als "absolut unentgeltliches Aussaugen von Frauenarbeit" sei das "Ursprungsmodell für den totalen Extraprofit". Dieser "Extraprofit" scheint auch für den tieferen Grund des Vorhandenseins von Rassismus gehalten zu werden, denn direkt im Anschluss heißt es: "Wir begreifen, daß der Sexismus die Matrix für den Rassismus ist" (ebenda, S. 68).

Der zweite Teil des Textes befasst sich allgemeiner mit der Geschlechterdifferenz und betont dabei den ansonsten in linken Theorien wenig beachteten Aspekt der bei Frauen im Gegensatz zu Männern gegebenen Gebärfähigkeit. Der "springende Punkt" sei, dass Frauen "die Gattung" (ebenda) produzierten und damit "ein fremdes Element in sich tragen", das an ihnen zehre (ebenda, S. 69). Über dieses "spezifisch weibliche vermögen der Gattungsproduktion" sei nun ein "gesellschaftliches Arbeitsverhältnis" gestülpt (ebenda), das einem Geschlecht "den gesamten Bereich menschlicher Reproduktion" aufzwinge und es darin "versklave" (ebenda). Aus der vorgenommenen Trennung von Produktion und Reproduktion als biologisch und gesellschaftlich gegebenen Größen werden aber keine politischen Konsequenzen gezogen.

Das herausgehobene Faktum der Gebärfähigkeit wird allerdings zur Kritik an traditionellen Revolutionsvorstellungen benutzt. Das "Gleichheitsversprechen" "gängiger Revolutionstheorien" bedeute eine "entschlossene" Negation der Geschlechterdifferenz (ebenda, S. 70f). Der Mann müsse die unabänderliche "Tatsache, daß beide Geschlechter niemals gleich sein werden" leugnen, um "das Maß aller Dinge" sein zu können. Er habe auch "die Götter gestürzt" um "auf Erden der eine und Einzige" zu sein (ebenda, S. 71). Die revolutionären Werte "Freiheit" und "Gleichheit" werden daher als "männliche linke Herrschaftsidyllen" denunziert (ebenda).

Im Mittelpunkt des Geschlechterverhältnisses steht also die Differenz zwischen Mann und Frau, die auf biologische Unterschiede zurückgeführt wird. Daraus wird eine Kritik am Gleichheitsversprechen der männerdominierten bürgerlichen Gesellschaft aber auch der linken Opposition abgeleitet. Die politischen Konsequenzen bleiben dabei sehr unklar, wie auch die Antworttexte anmerken. Eindeutiger ist der erste Teil , der die Situation von Frauen in Südafrika beschreibt. Häusliche Reproduktionsarbeit, Arbeit in der Landwirtschaft und in Fabriken werden als Ausdruck von Sexismus, Rassismus und Ausbeutung dargestellt, wobei die Bedeutung von Sexismus als Grundlage der Diskriminierung besonders hervorgehoben wird. Eindeutig ist in diesem Textteil vor allem die Handlungsaufforderung, die sich an die Informationsselektion anschließt; die drastische Schilderung der Situation schwarzer Frauen in Südafrika legitimiert jede Art von Aktion, die zu ihrer Verbesserung beitragen kann. So steht sie auch in direktem Bezug zu den Anschlägen der RZ.

2. Vom Mythos der Unabhängigkeit

Ein anonymes Antwortschreiben auf den Text der RZ kritisiert zum einen den von patriarchalen Vorstellungen geprägten Blick auf die Situation von Frauen und analysiert zudem die Stellung des Mannes in der Gattungsproduktion, entgegen herkömmlichen Vorstellungen, als extrem abhängig.

Wird am Ende von "Was ist Patriarchat?" Freiheit als männlicher Wert kritisiert, so sei er gleichzeitig Ausgangspunkt für das "bestürzende Bild der Bedingungen Frau zu sein", das vorher gezeichnet wird (Vom Mythos der Unabhängigkeit, in: Metropolengedanken und Revolution, Edition ID-Archiv 1990, S. 75). Eine Frau, die um ihr "spezifisch weibliches Vermögen" wisse, fühle sich erst "minderwertig, unterdrückt", wenn sie mit "dem Ideal der Unabhängigkeit, der Individualität" (ebenda, S. 76) konfrontiert wird. Die Fähigkeit zur Gattungsproduktion könne unabhängig von gesellschaftlich bedingter Reproduktionstätigkeit als "Bereich des Historischen und der Macht" von Frauen gesehen werden (ebenda, S. 77).

Gleichzeitig ist der Mann keineswegs so unabhängig, wie die RZ-Analyse impliziert. Er sei die ersten Lebensjahre "auf Gedeih und Verderb" einer Frau ausgeliefert (ebenda). Zudem ist er von der Gattungsproduktion ausgeschlossen, abgesehen vom "flüchtigen Moment des Koitus" (ebenda, S. 78). Daher erschaffe er "den Mythos der Unabhängigkeit": Er stellt sich dar als "Eigenständige, unabhängige Persönlichkeit, Herr zumindest seiner selbst und Verkäufer seiner Arbeitskraft" (ebenda, S. 77).

Die einzige Möglichkeit, sich als Frau "individuell" zu "befreien" sei bislang die "Teilnahme (und Hingabe) an emanzipatorische[n] Bewegungen innerhalb des Patriarchats" gewesen (ebenda, S. 78). Die individuelle Befreiung hätte allerdings "zu dem Preis der Negierung unserer sexuellen Differenz" stattgefunden (ebenda, S. 78f). Zukünftig sollten "Bauch und Brust" vereint werden mit "Kopf und Händen" und eine "eigene Identität" eingesetzt werden (ebenda, S. 80).

Hier wird die mythologische Vorstellung von Teilnahme am Kampf als Möglichkeit der individuellen und kollektiven Emanzipation eingeführt. Im Bewegungsengagement fallen Selbstveränderung und Gesellschaftsveränderung zusammen, der neue Mensch entsteht. Diese universelle Formel ist unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsanalyse. In diesem Fall liegt die Betonung auf bei der Informationsselektion auf dem Umstand, dass es sich bei der Männermacht teilweise um eine "Mythos" handele, insofern der Kampf eine "Entlarvung" beinhaltet.

Zwei weitere Antworten auf den RZ-Text vermissen vor allem die politischen Perspektiven, die aus der Betonung der Gebärfähigkeit abgeleitet werden. So fordert ein Text, der vor allem auf die Beachtung autonomer Frauenzusammenhänge verweist die "Präzisierung der Forderung, der historische Mann gehöre endgültig abgeschafft" (Rank, S. 97). Sie moniert, dass Frauen nur als "ewige Opfer ihrer eigenen Körperlichkeit" begriffen würden (ebenda, S. 98), während es aber "weltweit eine soziale, politische und kulturelle Identität von Frauen" gebe, die aus dem "Bewußtsein "sexueller Differenz"" entstehe und den "Beziehungen auch nur unter Frauen" (ebenda).

Letztlich arbeite der RZ-Text am "Verschwinden" von Frauen mit, weil er "einen weltweiten Widerstand von Frauen" nicht erwähne oder beschreibe (ebenda, S. 99). Daher könne der Text auch nicht die noch zu klärende Frage diskutieren "inwieweit überhaupt Frauen in gemischten Gruppen arbeiten können" oder ob nicht eine "völlige Trennung" besser sei (ebenda). Diese Kritik verweist auf Diskussionen unter autonomen Frauen/Lesben, für die die Frage nach einer möglichen Zusammenarbeit mit Männern im Patriarchat zentral ist. Zudem versuchen sie, dem Bild von Frauen als Opfer Gegenbeispiele kämpferischer Frauen entgegenzusetzen (siehe unten).

Eine Antwort aus sozialistischer Perspektive kritisiert den bereits oben erwähnten Biologismus und das Fehlen strategischer Überlegungen. Die Betonung der Last durch die Reproduktionsarbeit und damit implizit geforderte "Anerkennung der Qualifikation und Wertsteigerung des weiblichen Arbeitsvermögens" bringe dem "Frauenwiderstand" nichts (Kapitalismus = Faschismus = Patriarchat, in: Metropolengedanken und Revolution, Edition ID-Archiv 1990, S. 103). Auch der Bezug auf "die Gattungsproduktion" löse keine Probleme, da sie sich als "Naturtotalität" in männliche Denkweisen einfügen lasse (ebenda).

Und letztlich bleibe die Frage offen, welche Perspektiven für Widerstand und Revolution bleiben angesichts der "unaufhebbaren Ungleichheit der Geschlechter" und daraus kritisierten bisherigen Revolutionsvorstellungen (ebenda).

3. Die Linken Männer-Mythen knacken!

Eine "Gruppe "linker" Männer (alle Heteros)" (Die Linken Männer-Mythen knacken!, in: Metropolengedanken und Revolution, Edition ID-Archiv 1990, S. 104) nimmt die Auseinandersetzung um "Was ist Patriarchat?" zum Anlass, Autonome Theorieelemente einzubringen indem die konkrete Täterschaft von Männern im Patriarchat betont wird, im Gegensatz zu einer Unterdrückung durch ein anonymes System. Zudem dürfte das Patriarchat nicht als Nebenwiderspruch behandelt werden und die angestrebten Ziele bereits im Kampf verwirklicht werden.

Reproduktionsarbeit dürfe nicht nur als "Ausbeutungsform "des Systems"" thematisiert, sondern müsste "in Bezug zu jedem einzelnen Mann und seiner privilegierten Position auf der patriarchalen Stufenleiter" (ebenda, S. 106) gesehen werden. Als politische Strategie mit "allgemein-revolutionärer Perspektive" (ebenda, S. 108) wird das Modell der Gegenkultur entwickelt. Es müsse darum gehen, die "Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft konkret vorwegzunehmen", da eine solche "selbstgelebte Praxis ... mehr als 1000 Flugis" wirke (ebenda, S. 109). Innerhalb der zu entwickelnden "Kollektivität" dürften "weder Rassismus noch Patriarchat ... zweitrangig neben Kapitalismus und Imperialismus angegriffen werden" (ebenda, S. 108). Daher sei es für Männer ein Muß, als Ausgangspunkt für das Entwickeln "Herrschaftsfeier Lebensmöglichkeiten" "die Männer-Rolle als Täter-Rolle" zu thematisieren (ebenda, S. 109).

Wirkt die Vorstellung von der "Selbstveränderung im Kampf" im Kontext anderer Äußerungen wenig glaubhaft und mythisch, liegt in diesem Fall das Schwergewicht eindeutig bei der Selbstveränderung. Das liegt vor allem daran, dass das Patriarchat als an Personen und damit konkrete Täterschaft von Männern gebunden begriffen wird, also letztlich nur über die Veränderung der Männer zu bekämpfen ist. Für die Schreiber bedeutet das demnach "Selbstveränderung".

4. Weiße Herrschaft - Rassismus und Imperialismus

Eine letzte Stellungnahme zum RZ-Papier konzentriert sich auf die vorher weniger bearbeiteten Themen Imperialismus und Rassismus. Es handelt sich dabei um den "Versuch eines Weißen Mannes" (Weiße Herrschaft - Rassismus und Imperialismus, in: Metropolengedanken und Revolution, Edition ID-Archiv 1990, S. 111) indem die Ausbreitung kapitalistischer Strukturen in Entwicklungsländern als imperialistische Strategie und weißer Rassismus beschrieben und aus der Selbstverortung als Profiteur dieser Strukturen eine Anerkennung aller Widerstandsformen Betroffener abgeleitet wird.

Die Erdölförderung in Nigeria wird auf eine Stufe gestellt mit dem rassistischen Regime Südafrikas als zwei verschiedenen "Kampfmitteln der weißen Herrschaft" (ebenda, S. 114). Grundlage für diese Gleichsetzung ist, dass die kapitalistische Verwertung von Arbeitskräften und Ressourcen als Akt der "Vernichtung" (ebenda, S. 117) betrachtet wird. Zentrale Begriffe, mit denen die Ausbreitung kapitalistischer Strukturen als imperialistische Strategie des deutschen und internationalen Kapitals beschrieben wird sind "Deregulation" und "internationale Investitionen" (ebenda).

Dazu wird der IFW-Präsidenten Herbert Giersch zitiert. Wirtschaftspolitische Aufgabe für die 90er Jahre sei es, den EG-Binnenmarkt zu Deregulieren, um mehr "Wachstum und Beschäftigung" zu schaffen und Mittel zur Verfügung zu haben, "zusätzliche Investitionen" zu ermöglichen, die "produktive Beschäftigung in allen Ländern der Dritten Welt" schaffen sollen (Herbert Giersch im Handelsblatt vom 23.03.1989, zitiert nach Weiße Herrschaft, S. 116).

Diese wirtschaftspolitischen Ziele werden auf eine Stufe gestellt mit "imperialistischem Krieg" (Weiße Herrschaft, S. 116), Kolonialismus und Faschismus: "Dahinter steckt heute die gleiche Gewalt und noch ein höheres Ausmaß an Morden, Vernichtung und Plünderung, wie es vom deutschen Faschismus und von den kolonialen und imperialistischen Kriegen her bekannt ist" (ebenda, S. 117).

Die Konstituierung von Nationalstaaten, Einführen von Schulen und Missionierung durch Kolonialmächte werden genauso wie der Aufbau ökonomischer Strukturen als "Rassismus weißer Männer" (ebenda, S. 128) betrachtet. Durch ihn würden "soziale Strukturen" aufgebrochen und er sei ursächlich dafür, "was später Tribalismus oder Nationalitätenkonflikt genannt wird" (ebenda, S. 127f).

Der Zusammenhang zwischen Rassismus und Imperialismus wird als zirkulärer Prozess beschrieben. Rassismus ist zunächst das "soziale Gewaltverhältnis" als das die Ausbreitung des Kapitalismus in den Trikontstaaten erscheint (ebenda, S. 114). Es wird verteidigt von einem Bündnis aus "Imperialismus und weißer Arbeiterklasse" (ebenda), da auch ArbeiterInnen "persönlichen Profit" aus diesem Gewaltverhältnis ziehen könnten (ebenda).

Die "Bejahung der Angebote" des "Regimes" bedeute "strukturelle Träger von Rassismus" und "Eins mit dem System" zu werden (ebenda, S. 120). Das System entsteht allerdings erst dadurch, dass der "Versuch der Aneignung und Verwertung" "perpetuiert" [?] werden soll (ebenda, S. 121).

Für den Autor als "Weißen Mann" und seine Ansprechpartner bedeutet diese Sichtweise, dass sie "bewußt oder unbewußt, aktiv oder strukturell, zu rassistischen und sexistischen Kollaborateuren im Kampfverhältnis" (ebenda) werden. Sie müssten "die Solidarität mit der Herrschaft" (ebenda, S. 135) brechen und Kämpfe von TrikontbewohnerInnen "unterschiedslos" unterstützen. Es sei nicht angebracht, "antirassistischen Widerstand, der nicht gleichzeitig ein antiimperialistischer oder antipatriarchaler ist, zu spalten" (ebenda).

Hier ist der Konflikt angesprochen, einerseits alle Unterdrückungsformen gleichzeitig bekämpfen zu wollen, aber mit moralischen Autoritäten konfrontiert zu sein, die nicht die identische Position einnehmen. In Autonomer Manier wird kein strategischer Umgang mit diesem Dilemma empfohlen, der die Kämpfe nach ihrer Bedeutung für eigene politische Vorstellungen beurteilt, da damit "eine neue Hierarchie" geschaffen und die Kämpfe Andere "enteignet" würden (ebenda, S. 130). Dieser Vorbehalt erlaubt die Abgrenzung gegenüber SozialistInnen. Neu gegenüber der Theorieproduktion zur Anti-IWF-Kampagne ist, dass die eigene Verstrickung in Ausbeutungsstrukturen nicht mehr unter dem Aspekt der "Selbstbefreiung" thematisiert, sondern als strukturell gegeben angesehen wird, was zu einem defensiveren Verhältnis gegenüber "Unterdrückten" und Unsicherheiten bezüglich der richtigen Strategie führt.

5. Ingrid Strobl: Die Angst vor den Frösten der Freiheit

1990 veröffentlicht die Edition ID-Archiv einen Text von Ingrid Strobl zur historischen Entwicklung der Frauenunterdrückung. Sie nimmt damit Stellung in der Diskussion um den RZ-Text "Was ist Patriarchat?" (siehe unten), die 1991 von der Edition ID-Archiv in dem Buch "Metropolen(gedanken) und Revolution" veröffentlicht wird. Sie stellt dabei das Patriarchat als durch die Trennung von Produktions- und Reproduktionsphäre gekennzeichnet dar. Die Gebärfähigkeit der Frauen werde gegen sie verwandt, da ihnen Kinderbetreuung und Reproduktionsarbeit aufgebürdet werde, ohne dass sie dafür entsprechende Anerkennung erhielten. Die unkontrollierte Gebärfähigkeit der Frau sei dabei das Mittel, Frauen weitgehend aus dem gesellschaftlichen Leben zu verdrängen und ihnen den Bereich des Privaten zuzuweisen. Sie schreibt dazu: "Den Frauen wurde aufgrund ihres Gebärvermögens die soziale Last der gesamten Reproduktion aufgezwungen, eine Last, die ihrer gesellschaftlichen und politischen Durchsetzung hinderlich war" (Strobl 1990, S. 2). Diese gesellschaftliche Zuweisung wird naturalisiert und so die daraus entstehende soziale Ungleichheit verschleiert: "Es gibt keinen physischen - und auch keinen psychischen - Grund, der dem geborenen Kind die leibliche Mutter unabdingbar machte. Die als "natürlich" empfundene soziale Mutterschaft hat rein soziale, "männergemachte" Gründe" (ebenda, S. 3).

Die unkontrollierte Gebärfähigkeit der Frau führt zu einem gestörten Verhältnis zu ihrer Sexualität, weil sie immer mit der Gefahr verbunden ist, persönliche Eigenständigkeit zu verlieren. "Frauen sehen sich so der ständigen Drohung ausgesetzt, allein durch den sexuellen Akt in ihrer gesamten Lebensweise beeinträchtigt zu werden (...) Sexualität wird zu einem Hebel ihrer Unterwerfung" (ebenda, S. 3). Der Angst, ungewollt schwanger zu werden können sie sich in vorbürgerlichen Epochen entziehen dadurch, "daß die Frauen Methoden der Schwangerschaftsvermeidung beherrschten und somit fähig waren, ihre Befruchtung zu steuern und damit zugleich ihre Sexualität dem Diktat des Generativen zu entziehen. Anders gesagt: sie als eigene Lust zu erleben" (ebenda, S. 3). Diese Möglichkeit des autonomen Lustgewinns wird mit der Hexenverfolgung des 16. Und 17. Jahrhunderts genommen. "Daß in der Epoche der Hexenverfolgung die Hebammen und die sogenannten weisen Frauen mit als Erste kriminalisiert wurden, liegt hierin begründet: die Frauen sollten ihrer Möglichkeiten, autonom über ihre Fruchtbarkeit zu bestimmen, endgültig beraubt werden" (ebenda, S. 3).

Der Verlust dieses Wissens führt dazu, dass Frauen in der bürgerlichen Gesellschaft ihre Fruchtbarkeit regulieren "indem sie faktisch und verbal die bürgerliche Ideologie ihrer Asexualität, ihrer Frigidität bestätigen, mehr noch: sie internalisieren. Die anständige bürgerliche Frau empfand keine Lust. Ihr Körper wurde zu einem Instrument sowohl zur Befriedigung des Mannes als auch der Fortpflanzung der Gattung" (ebenda). Die Frau wird von ihrem eigenen Körper getrennt, der zu einem gesellschaftlichen Objekt wird: "So erfuhr die Frau eine Entfremdung, die tiefer geht als die Entfremdung durch kapitalistische Arbeitsverhältnisse. Während sie als weiblicher Lohnarbeiter lediglich ihre Arbeitsfähigkeit veräußerte, etwa die Geschicklichkeit ihrer Hände, verkaufte sie sich als Weib ganz und gar" (ebenda, S. 4).

Das in der Ehe institutionalisierte Ungleichheitsverhältnis wird zusätzlich durch die suggerierte Freiwilligkeit verschleiert, mit der sich Frauen in ein Abhängigkeitsverhältnis bringen: "Mit der politisch-gesellschaftlichen Etablierung des Bürgertums wurden Ehen nicht mehr aus Vernunftgründen geschlossen, sondern aus Liebe" (ebenda, S. 4). Die "Zwangsjacke" bürgerlicher Ideologie kanalisiere das "reale Bedürfnis des Menschen nach Zuneigung, Zärtlichkeit und sexueller Lust" und werde so zu "einem der effektivsten Hebel - neben der direkten Gewalt - patriarchaler Macht" (ebenda, S. 5).

Zusammenfassend formuliert Strobl: "Die Ausgeliefertheit der Frau, die weder über die gesellschaftliche Macht noch über die ausreichende Kenntnis von Verhütungsmethoden verfügt, um ihre Fruchtbarkeit autonom zu bestimmen, verbunden mit ihrer historisch fortschreitenden Entfremdung von ihrem eigenen Körper als Quelle eigener Lust bei gleichzeitiger Betäubung ihres Bewußtseins durch das Opiat der Liebe, diese Konstellation bildet eine Basis bürgerlicher patriarchaler Macht. Diese Basis zu leugnen beraubt alle revolutionären Theorien ihres revolutionären Gehalts" (ebenda, S. 5). Denn es sei schließlich das "Verhältnis der Sexualität der Geschlechter, das den ökonomischen und sozialen Verhältnissen zugrunde liegt" (ebenda).

Wenngleich ein Phänomen der bürgerlichen Gesellschaft ist das patriarchale Geschlechterverhältnis nicht auf das Bürgertum beschränkt. Es hat auch Auswirkungen auf die ArbeiterInnen und erklärte FeindInnen der Gesellschaftsstruktur. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung durch Zuweisung von Produktions- und Reproduktionssphäre bzw. öffentlichem und Privatraum gelten auch hier als Ideal. Mit dem Familienmodell werden gleichzeitig Vorstellungen von Sexualität und emotionalen Beziehungen übernommen. "Der Arbeiterklasse wurde die auf Liebe gegründete kleinbürgerliche Familie als Insignie des Aufstiegs aus der Gosse propagiert, eine Propaganda, die auf fruchtbaren Boden fiel. Bei den Männern, weil sich damit sowohl ihr sozialer Status erhöhte. Bei den Frauen, weil ihnen angesichts ihrer exzessiven Doppelbelastung die Befreiung von der Produktionsarbeit als tatsächliche Befreiung erscheinen mußte" (ebenda, S. 5).

Auch Revolutionäre seien nicht frei von patriarchalen Vorstellungen. Zum einen enthielten ihre Utopien keine gleichberechtigte Übernahme der Reproduktionsarbeit, sondern "allenfalls die Entprivatisierung dieses Bereichs durch Vergesellschaftung, also Kinderkrippen, öffentliche Küchen und Wäschereien" (ebenda), zum anderen zeigen sie sich in ihrem Sexualverhalten. Sowohl in der jungen Sowjetunion als auch in "der sogenannten sexuellen Revolution der 60er Jahre" seien die Forderungen von Frauen die die "Abschaffung der Zwangsinstitution Ehe und die Freie Sexualität propagierten" patriarchal gewendet und gegen sie verwendet worden (ebenda, S. 4). "Frauen, die sich weigerten, jedem zur Verfügung zu stehen, die sich weigerten, jede Sexualpraktik mitzumachen, wurden als reaktionär und frigide diskriminiert" (ebenda).

Dieses "autistische und ursupatorische sexuelle Verhalten" das Männer generell kennzeichne und "Teil ihrer Identität" sei entspringt psychischen Bedürfnissen nach Macht und Anerkennung: "Nur der lebendigen und in ihrer Geschlechterrolle funktionierenden Frau kann der Mann sein Herz ausschütten. Nur sie kocht "wie Muttern". Nur sie kann ihm die Illusion gewähren, ein Versorger und Beschützer und überdies ein Held zu sein. Nur im Stupor der lebendigen und von ihm vergewaltigten Frau kann er seine Macht erleben, indem er sie in sexuelle Lust transportiert. Nur in den Augen der lebendigen Frau kann er sich als einzigartiges Individuum spiegeln und die Größe und Überlegenheit halluzinieren, an deren Mangel er im Umgang mit seinesgleichen leidet" (ebenda, S. 5). Eben diese Vorstellung habe der Revolutionär auch. Auch bei ihm bestehe das "Bedürfnis nach einem Refugium, in das er, der müde Krieger nach geschlagenen Schlachten zurückkehrt, auf das ein liebendes Weib seinen Körper bette, seine Wunden salbe, seinen Hunger stille und seinen Heldentaten Reverenz erweise"(ebenda, S. 6).

So ist von den Männern bei der Beseitigung des Patriarchats nicht viel zu erwarten, wie sieht es aber mit den Frauen aus? Wie bereits anhand der Sexualität verdeutlicht, haben auch sie bürgerliche Vorstellungen verinnerlicht, die ihnen bei ihrer Befreiung im Wege stehen. "Während sie zu Sklavinnen gemacht wurden, begannen sie sich als Sklavinnen zu fühlen und zu verhalten" indem sie meinen "ihren Unterdrücker zu lieben" (ebenda, S. 7). Da diese Frauen ihre Rolle in Abhängigkeit zu einem Mann und Kindern definieren haben sie ein "ambivalentes Verhältnis" zu ihrer Befreiung (ebenda).

Dagegen bilden diejenigen Frauen, deren soziale Stellung nicht der patriarchalen Norm entspricht ein Potential an Kämpferinnen. Ohne Mann und Kinder zu leben bringt sie in Opposition zur gesellschaftlichen Norm und bietet die Möglichkeit, ein anderes Bewusstsein zu entwickeln. "So wird die Frau ohne Mann, ohne Kind, ob sie es will oder nicht, quasi automatisch zur Rebellin. Sie kann versuchen, diesen grundlegenden Normverstoß "wiedergutzumachen", indem sie sich in allen anderen Lebensbereichen der Norm, den Gesetzen der Gesellschaft unterwirft. Sie kann sich aber auch aus der Rebellin gegen die Fundamente der Norm entwickeln zur Kämpferin gegen die Gesellschaft, die die Norm setzt und bewahrt" (ebenda, S. 7).

Als Formel für den antipartiarchalen Kampf gibt Strobl die Parole aus, dass während die Revolutionärin "die Sklavin in sich liquidiert, der männliche Revolutionär den Herren in sich vernichten muß" (ebenda, S. 8). Diesem Text kommt dabei die Funktion zu männlichen Linksradikalen "das Politische im Privaten, die sexuelle Dimension von Herrschaft, seine eigene Involviertheit als Profiteur der Machtverhältnisse" zu verdeutlichen (Strobl 1990, S. 8).

Die Ausführungen Ingrid Strobls können als Bewegungsrhetorik eingeordnet und auf den Zusammenhang von Informations- und Handlungsselektion überprüft werden. Ihre Informationsselektion basiert darauf, Benachteiligungen von Frauen aufzuzeigen und als Resultat eines mehr oder weniger systematischen Kampfes zur Unterwerfung von Frauen darzustellen, der von Männern, politischen und Religiösen Institutionen und ökonomischen Strukturen geführt wird. Die sich anschließende Handlungsaufforderung ist wesentlich schwammiger formuliert; es ist lediglich davon die Rede, dass Frauen und Männer sich von den verinnerlichten Ideologien lösen müssen, die sie zu Stützen des Patriarchats machen. Gleichzeitig impliziert die Darstellung besonders tiefgreifender Entfremdung und sexueller Unterdrückung von Frauen eine Moralität, die jegliche Form von Widerstand legitimiert, während für Männer die Erkenntnis, selbst Unterdrücker zu sein vordringlich ist.

Auch der Aspekt der Selbstverpflichtung, als Dritter Teil einer vollständigen Mobilisierungskommunikation, hat in diesem Zusammenhang große Bedeutung, da die vertretenen Positionen erst durch die eigene Bereitschaft, für sie einzutreten legitimiert werden. Die radikale Praxis des heldInnenhaften Kampfes von Ingrid Strobl und den RZ sichert ihren Texten Beachtung. Ihr Einfluss auf die autonome Ideologiebildung ist aber begrenzt.

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Zu dem Text: "Heroische Vorbilder"