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Die Entwicklung des wissenschaftlichen Feminismus - von den "Methodischen Postulaten" bis zur Dekonstruktivismusdebatte
1. Die Rolle der Wissenschaftlerin bei Maria Mies
2. Die Debatte um Sex und Gender
Die Entwicklung des wissenschaftlichen Feminismus - von den "Methodischen Postulaten" bis zur Dekonstruktivismusdebatte
Mit der Etablierung von "Geschlechterforschung" innerhalb verschiedener Fachrichtungen an deutschen Hochschulen verändert sich auch der wissenschaftliche Feminismus. Konnte Maria Mies 1978 noch Forschung im Dienste der Frauenbewegung fordern und sich dabei auf eine gemeinsame Betroffenheit von Forscherinnen und weiblichen Forschungsobjekten berufen, verändert sich das Verhältnis zwischen Wissenschaftlerinnen und Frauenbewegung grundlegend im Zuge der Dekonstuktivismusdebatte.
Das liegt im Wesentlichen daran, dass Mies die Rolle der Wissenschaftlerinnen in den "Methodischen Postulate zur Frauenforschung" darin sieht, für die Frauenbewegung zu agitieren, wobei sie kein Selbstverständnis der Führerinnen formuliert, sondern die Hierarchie zu den AnhängerInnen verschleiert, indem sie die gemeinsame Betroffenheit in den Vordergrund stellt.
1. Die Rolle der Wissenschaftlerin bei Maria Mies
In den "Methodischen Postulaten zur Frauenforschung" spricht sich Maria Mies 1978 für Formen der "Aktionsforschung" aus, deren primäres Ziel es ist, die Situation der Untersuchten Personen zu verbessern (Maria Mies: Methodische Postulate zur Frauenforschung - dargestellt am Beispiel der Gewalt gegen Frauen, beiträge zur feministischen theorie und praxis, 11/84, S. 7-23). Besonders an dem von ihr gewählten Beispiel zur Verdeutlichung der Postulate, dem Kämpf für ein Frauenhaus in Köln, wird deutlich, dass ihre wissenschaftliche Methode eigentlich "Bewegungsmanagement" ist und die Aufgabe der Wissenschaftlerinnen, neue Anhängerinnen anzuleiten und zu agitieren. Was sich als Methodendiskussion präsentiert kann daher auch als Beschreibung der Rolle intellektueller FührerInnen gelesen werden.
Die Frauenhaus-Initiative "Frauen helfen Frauen e.V."
Einige Frauen aus dem universitären Betrieb setzen sich für die Schaffung eines kommunal finanzierten Frauenhauses ein. Diese zunächst politische Aktion bekommt einen wissenschaftlichen Aspekt, indem die misshandelten Frauen zu "Forschungsobjekten" werden. Mies berichtet: "Diese Initiative wurde im Frühjahr 1976 in Köln hauptsächlich von Studentinnen der Sozialpädagogik (nach einem Seminar über die internationale Frauenbewegung) gegründet. Die Gruppe bildete den Verein: "Frauen helfen Frauen" und nahm sich als erstes Ziel vor, ein Haus für geschlagene Frauen und deren Kinder zu erkämpfen" (ebenda, S. 16). Die Wissenschaftlerinnen und Studentinnen beginnen mit "einer Straßenaktion zur Sammlung von Unterschriften und mit einem Stand über Frauenmißhandlung durch Männer", den Mies als Form der "Öffentlichkeitsarbeit" bezeichnet (ebenda, S. 17).
Bereits bevor der Verein eigene Räumlichkeiten besitzt, können sich misshandelte Frauen an ihn wenden und werden dann kurzfristig bei Vereinsmitgliedern aufgenommen. Das Verhältnis der Organisatorinnen zu den Frauen, die geschlagen wurden, ist besonders interessant. Es soll ihnen nicht nur individuell geholfen werden, sondern auch ein politisches Bewusstsein vermittelt werden, das zur Teilnahme am Kampf der Frauenbewegung führt. Mies berichtet von der Zeit, als bereits ein Frauenhaus existiert: "Darüberhinaus fand wöchentlich ein Gespräch zwischen den betroffenen Frauen im Haus und einer Psychologin statt. Lange blieben Zielsetzung und Methode dieser Gruppengespräche noch sehr stark psychologisch und gruppentherapeutisch bestimmt (...) Darum war es notwendig, daß die psychologische Bewußtmachung und Introspektion ergänzt wurde durch die Aufarbeitung der ökonomischen, politischen und historischen Dimension der Lebensgeschichte der betroffenen Frauen (...) Das heißt, die subjektive Leidenserfahrung der einzelnen Frau erfährt eine Verobjektivierung dadurch, daß sie ihr Schicksal nicht mehr nur als Einzelnes, durch eignes Verschulden oder Sozialisationsprozesse bedingtes erfährt, sondern als gesellschaftliche und historisch gewordenes und daher auch gesellschaftlich zu veränderndes" (ebenda, S. 19).
Das Mittel, den Frauen zu einem neuen Bewusstsein zu verhelfen, ist sie dazu zu ermutigen, ihre Lebensgeschichte zu rekapitulieren. Die Forscherinnen nehmen dabei eine anleitende Rolle ein: sie machen Vorgaben für die Erinnerung der Lebensgeschichte und übernehmen die Verschriftung. "In einem ersten Gruppengespräch mit den betroffenen Frauen erläutern wir Ziel und Zweck unserer Untersuchung, der Dokumentation und Veröffentlichung ihrer Lebensgeschichten und der Prozesse im Frauenhaus. Wir versuchen deutlich zu machen, daß es wichtig sei, aus den jeweils privaten Schicksalen allgemeinere Schlüsse zu ziehen. Außerdem sei unsere Aktion sinnlos, wenn es uns nicht gelänge, diese Zusammenhänge der Öffentlichkeit bekannt zu machen" (ebenda, S. 21).
Ziel ist es, dass die misshandelten Frauen zu AnhängerInnen der Frauenbewegung zu machen. Der Übergang zur Aktivistin erfolgt dabei durch die Veröffentlichung der Lebensgeschichten innerhalb des Kontextes der Frauenbewegung. Mies dazu: "Aktives kollektives Bewußtsein "für sich" erwerben die Frauen erst, wenn sie sehen, daß die Dokumentierung und die Veröffentlichung ihrer Geschichten ihnen hilft. D. h. konkret, daß die Dokumentierung dieser Lebensgeschichten eingebettet sein muß in die Gesamtstrategie der Frauen im Kampf für ihre Interessen und ihre Befreiung (...) Erst wenn sie sich kollektiv selbst aktiv für ihre Interessen einsetzen, treten sie aus dem Objektstatus von Wohlfahrtsempfängerinnen und "Forschungsgegenständen" heraus" (ebenda, S. 20).
Diese Vorstellungen können nicht ganz nach Wunsch umgesetzt werden, da sich die Frauen, die bei dem Verein Zuflucht suchen, nicht so leicht zu Aktivistinnen ausbilden lassen. Mies berichtet: "Trotz anfänglicher Begeisterung hielten die Frauen Zusagen und Termine häufig nicht ein. Der Ernstcharakter einer solchen theoretischen Arbeit war ihnen nur zeitweilig klar, dann standen ihre unmittelbaren Probleme und Bedürfnisse wieder im Vordergrund" (ebenda, S. 22). Die Frauen, die agitiert werden sollen bringen offensichtlich nicht die richtigen Voraussetzungen für politisches Handeln mit: "Eines der größten Probleme war die Durch- und Umsetzung von kollektiv gefaßten Beschlüssen und die Herstellung von Verbindlichkeit" (ebenda, S. 23). Und auch die "Daten", die mit den Untersuchungsobjekten zusammen erhoben werden, sind nur eingeschränkt verwertbar: "In einigen Fällen stellten wir eine Diskrepanz zwischen dem, was die Frauen uns erzählten und ihrem tatsächlichen Verhalten fest" (ebenda, S. 22).
Das Selbstbild der Intellektuellen Führerin
In den "Methodischen Postulaten zur Frauneforschung" die dem Bericht über die Frauenhaus-Initiative in Köln vorangestellt sind, macht Maria Mies Vorgaben für einen wissenschaftlichen Feminismus, die als Anleitung für intellektuelle FührerInnen gelesen werden kann. Sie haben dabei eine Doppelrolle, weil sie nicht nur FührerInnen, sondern auch Teil der Sozialen Bewegung sind. "Womens studies" bedeute, "daß sich engagierte Frauen im Hochschulbereich mit der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frauen insgesamt so beschäftigen, daß sie auf eine Aufhebung dieser Unterdrückung hinzuwirken. Dabei sind sie sowohl Betroffene, die diese Unterdrückung in irgendeiner Weise selbst erfahren haben, und gleichzeitig Forschende, die sich wissenschaftlich mit dieser Unterdrückung und den Möglichkeiten ihrer Aufhebung befassen". Sie sollen ihre "subjektive Betroffenheit bewußt in den Forschungsprozeß einbeziehen" (ebenda, S. 10).
Es finden sich Vorstellungen von einer "Selbstveränderung" bzw. der Geburt eines "neuen Menschen" im Politischen Kampf, wenn der Teilnahme an Aktionen auch eine analytischer Gewinn zugesprochen wird. "Wir müssen anfangen, gegen Frauenunterdrückung und -ausbeutung zu kämpfen, um das Ausmaß, die Erscheinungsformen, die gesellschaftlichen Ursachen dieser Unterdrückung und Ausbeutung zu erkennen (...) Der Forschungsprozeß wird zu einem Bewußtwerdungsprozeß, sowohl für die bisherigen Forschungs"subjekte" als auch für die bisherigen Forschungs"objekte"" (ebenda, S. 14f).
Darüber hinaus müssten die Wissenschaftlerinnen/FührerInnen als BewegungsanhängerInnen die "eigene und kollektive Geschichte" aufarbeiten um ihre "Verpflichtung vor der Geschichte" zu erkennen und zu vermitteln (ebenda, S. 15). Denn erst "diese subjektive Aneignung der Geschichte der eigenen Kämpfe, Leiden und Entwürfe kann zu so etwas wie kollektivem Frauenbewußtsein (in Analogie zu Klassenbewußtsein) führen (ebenda).
Gleichzeitig überdeckt die Forderung nach einem kollektiven Frauenbewusstsein sowohl den Unterschied in der Herkunft als auch die Trennung in Führerinnen und Anhängerinnen.
Sabine Grimm schreibt zu den Methodischen Postulaten von Mies: "Damit legitimiere sie ihre Führungsrolle und leugnete die existierenden sozialen Unterschiede zwischen Frauen. Was sich durchsetzte und andere Aspekte der Postulate in den Hintergrund treten ließ, war die Identifikation von Forscherinnensubjekt und Untersuchungsgegenstand, die mit dem Betroffenheitspostulat gesetzt war. Über diese Identifikation imaginierten sich viele Wissenschaftlerinnen uneingeschränkt auf seiten der Unterdrückten. Ihre eigene Position und Tätigkeit kam ihnen so gar nicht erst in den Blick" (Sabine Grimm: Über feministische Intellektuelle, in: dies./Cornelia Eichhorn: Gender Killer, Berlin/Amsterdam 1994, S. 157).
Zu den Motiven der intellektuellen FührerInnen, sich in Bewegungen zu engagieren, erfahren wir etwas von Karl Marx.
Anfang der 90er Jahre erreicht die Diskussion um die "soziale Konstruktion der Geschlechter" das deutschsprachige Feuilleton und den "wissenschaftlichen Feminismus". Ausgangspunkt der Diskussion, die an den Begriffen "Sex" und "Gender" geführt wird, ist das 1991 in der BRD veröffentlichte Buch von Judith Butler "Das Unbehagen der Geschlechter". Die Annahme von der sozialen Konstruiertheit der Kategorie Geschlecht relativiert dabei die Annahme einer gemeinsamen Betroffenheit, wie sie die Frauenbewegung voraussetzt. Für den autonomen Diskurs ist sie zudem von Bedeutung, weil sie die an Geschlechter gebundene Täter/Opfer-Zuschreibung des autonomen Patriarchatsbegriffs in Frage stallt. "Dekonstruktivismus" wird daher zum Gegenbegriff zur Politik des autonomen Feminismus (siehe Dissertation).
Die Auflösung der Geschlechterdifferenz
Der AStA der Universität Göttingen nimmt 1995 einen Beitrag in eine seiner Publikationen zum Thema "Theorien" auf, der die dekonstruktivistische Auflösung der Geschlechterpolariatät als positiv bewertet, obwohl die damit verbundenen politischen Probleme gesehen werden (Bettina Heintz: Die Auflösung der Geschlechterdifferenz - Entwicklungstendenzen in der Theorie der Geschlechter, göttinger nachrichten 171, Juni 1995, S. 26-30, Nachdruck aus Wechselwirkung 69/1994). Bettina Heintz führt darin aus, dass sich nach der "De-Naturalisierung der Geschlechterdifferenz" die Frage nach dem "Subjekt des Feminismus" stelle und die sozialen Unterschiede zwischen Frauen stärker ins Bewusstsein rücken (ebenda, S. 27).
Während die Trennung von "sex" und "gender" (kulturellem- und sozialem Geschlecht) noch eine naturalistische Kategorie beinhalte, müsse nun auch die biologische Seite als sozial konstruiert angesehen werden. "Die sogenannte natürliche Differenz zwischen den Geschlechtern ist ebenso ein kulturelles Produkt wie das soziale Geschlecht. Frausein/Mannsein ist, wie es Butler formuliert, eine "kulturelle Performanz", nicht eine natürliche Tatsache" (ebenda, S. 26). Das hat gravierende Konsequenzen auch für die Frauenbewegung: "Mit der De-Naturalisierung der Geschlechterdifferenz wird der Rekurs auf etwas allen Frauen (bzw. allen Männern) Gemeinsames zunehmend problematisch (...) Dies hat Folgen für den Geschlechterbegriff. Die Annahme, daß der Begriff "Frau" (bzw. "Mann") einen universellen Bedeutungskern hat, verliert an Selbstverständlichkeit. Damit aber entsteht neu die Frage, wer denn eigentlich das Subjekt des Feminismus ist" (ebenda, S. 27).
Gleichzeitig erlaube die soziale Realität keine universelle Konstruktion von Geschlechterbegriffen. "Beides - die zunehmende Heterogenisierung der weiblichen Lebenssituation sowie der relative Bedeutungsverlust der Geschlechtszugehörigkeit in einer differenzierten Gesellschaft - bildet den realen Erfahrungshintergrund für die Dekonstruierung eines universalisierenden Konzeptes von "Frau" (bzw. "Mann"). Der Geschlechterbegriff, der die feministische Diskussion lange Zeit beherrscht hat, ist historisch überholt. Eine universalisierende Begrifflichkeit läßt sich in einer hochgradig differenzierten Gesellschaft nicht aufrechterhalten" (ebenda, S. 29). Heinzt wendet die politischen Konsequenzen aus dieser Umorientierung positiv: "Anstatt Geschlecht, Klasse, ethnische Zugehörigkeit etc. als universell wirksame Kategorien zu begreifen, wird heute vermehrt danach gefragt, unter welchen Bedingungen sie relevant werden. In welchen Handlungskontexten fungiert die Geschlechtszugehörigkeit als zentrales Ordnungsprinzip und wann spielt sie eine nur sekundäre Rolle?" (ebenda, S. 30).
Mit dem Verweis auf die "hochgradig differenzierte Gesellschaft" wird allerdings Frauenpolitik ein Stein in den Weg gelegt, die weiter mit diesem Begriff operieren muss. "Frau-Sein" wird relativiert als ein Quell sozialer Ungleichheit unter vielen und wird noch dazu nur unter bestimmten Umständen wirksam. Damit wird letztlich die feministische Praxis, Politik für Frauen zu machen delegitimiert, bei allem Verweis auf die eigene Loyalität: "Wer die Objektivität der Geschlechterdifferenz auf der Ebene des theoretischen Diskurses in Frage stellt, zweifelt damit noch lange nicht an ihrer Wirkungsmächtigkeit auf der Ebene des praktischen Handelns" (ebenda).
Die politische Konsequenz des Dekonstruktivismus liegt darin, dass der Zusammenhang zwischen Informationsselektion und Handlungsaufforderung zerstört wird, die dem feminisitischen Mobilisierungshandeln zugrunde liegt. Vor dem Hintergrund einer klaren Täter/Opfer-Zuschreibung ist die Implikation klar, wenn soziale Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen betont werden: Frauen sollen sich organisieren und gegen Männer wehren. Dagegen ist dieser Zusammenhang durch den Dekonstuktivismus aufgelöst; die soziale Ungleichheit kommt aus gesellschaftlichen Vorstellungen und Handeln, dass nicht ausschließlich von Männern getragen ist. Eine der politischen Konsequenzen aus dekonstruktivitischem Denken ist der "spielerische" Umgang mit Geschlechtsidentitäten, der ihre soziale Konstruiertheit vor Augen führt. Der wissenschaftliche Feminismus gibt die Führungsrolle in der Frauenbewegung auf, wie sie noch von Mies beschrieben wurde und wird immer mehr zur "Wissenschaftskritik". Ein Prozess, den Grimm und Eichhorn als durchaus gewollt ansehen.
1994 veröffentlicht die Edition ID-Archiv eine Artikelsammlung von außeruniversitären Feministinnen unter dem Titel "Gender Killer". Im Vorwort grenzen sich die Herausgeberinnen deutlich von der "dekonstruktivistischen" Debatte ab. Auch Grimm und Eichhorn lehnen die Unterscheidung in sex und gender ab, weil damit "die vollständige Historisierung und Politisierung des Geschlechterbegriffs" verhindert würde (Cornelia Eichhorn/Sabine Grimm: Vorwort, in: Diese.: Gender Killer, 1994, S. 8): "Die feministische Grenzziehung zwischen sex und gender verhindert, Sexismus als durch und durch soziales Phänomen zu fassen, das in keinster Weise mit irgendwelchen "Gegebenheiten" zu erklären ist" (ebenda).
Als Konsequenz daraus die "sozialen Konstruktion Geschlecht" in den Mittelpunkt zu rücken, bleibe allerdings ohne politische Auswirkungen. "Die Geschlechterkategorie wird hier weniger politisiert als vielmehr weiter auf die Ebene kultureller Bedeutungen verschoben (...) Im Prinzip theoretisieren die feministischen Intellektuellen jetzt lediglich das, was Madonna per MTV bereits in den 80ern vorgeführt hat: Subversion durch Affirmation" (ebenda). Es handle sich um einen rein akademischen Diskurs, der die sozialen Verhältnisse nicht verändere. "Als könnte das Zauberwort "soziale Konstruktion" die Herrschaftsverhältnisse auflösen und die Kategorie Frau überwinden, bevor die Frauen den alltäglichen Sexismus zurückgedrängt haben" (ebenda).
Als Grund für die Entfernung des "wissenschaftlichen Feminismus" von der politischen Praxis gibt Sabine Grimm in ihrem Einzelaufsatz die Selbstthematisierung der Wissenschaftlerinnen an. "Dekonstruktivistinnen schreiben erklärtermaßen Texte über Texte, sie machen die intellektuelle Praxis ("Diskurs") selbst zum Gegenstand, ohne dabei allerdings die gesellschaftliche Funktion der Intellektuellen zu reflektieren" (Sabine Grimm: Über feministische Intellektuelle, in :dies.: Gender Killer, S. 154). Feminismus sei damit zu einer wissenschaftsinternen Angelegenheit geworden, ohne anderweitige gesellschaftliche Bedeutung. "In dem Maße, in dem sich akademischer Feminismus von der Gesellschaftskritik zur Wissenschaftskritik entwickelt, scheinen sich viele Feministinnen in der Akademie einzurichten, ohne sich noch auf die sozialen Verhältnisse außerhalb des Seminars zu beziehen" (ebenda, S. 161). Die Dekonstuktivistinnen geben den Bezug zur Frauenbewegung auf und wollen nur noch Intellektuelle sein.